Der Weg zu mehr Bürgerbeteiligung (2): Ein offener Haushalt für Wernigerode?
(von Christian Reinboth)
In diesem Artikel soll auf zwei verschiedene Möglichkeiten zur Herstellung von mehr Transparenz bzw. mehr Bürgerbeteiligung eingegangen werden, die sich jedoch gut miteinander kombinieren lassen: Den sogenannten „offenen Haushalt“ sowie den „Bürgerhaushalt“. Während ein offener Haushalt die Zusammensetzung etwa eines kommunalen oder eines Landeshaushaltes visualisiert und damit eine besonders zugängliche Form der Transparenz herstellt, bietet ein Bürgerhaushalt den interessierten Bürgerinnen und Bürgern einer Kommune, eines Landkreises oder eines Bundeslandes die Chance, eigene Vorschläge und Anregungen in die Haushaltsgestaltung einzubringen.
Einen in jeder Hinsicht beispielhaften offenen Haushalt bietet beispielsweise die Stadt Frankfurt am Main unter http://haushalt.frankfurt-gestalten.de. Sowohl Einnahmen als auch Ausgaben sind hier visuell gut aufbereitet: Mit einem Klick auf eines der „Haushaltsquadrate“ öffnet man den jeweiligen Haushaltsposten, wodurch sich wieder neue Möglichkeiten der Verzweigung auftun. Die äußerst interessante Art der Visualisierung macht haushalterische Schwerpunkte und Unterfinanzierungen zumindest grob unmittelbar erkennbar und lädt zum weiteren Entdecken des Haushalts ein. Ähnlich gut gestaltete offene Haushalte für den Bund und einige Länder finden sich hier.

Kombiniert man einen solchen offenen Haushalt mit einem Vorschlagssystem, welches es den Bürgerinnen und Bürgern einer Kommune ermöglicht, eigene Sparvorschläge oder Anregungen zu neuen Investitionen direkt in die Haushaltsdiskussion einzubringen, schafft man einen sogenannten Bürgerhaushalt. Die Einrichtung eines solchen Bürgerhaushalts ist – auch wenn dem Bürger in der Regel keine wirkliche Entscheidungsbefugnis zukommt – die Abkehr vom gängigen Prinzip, nach dem die Verwaltung den Haushalt intern vorbereitet und der Stadtrat dann – mit vergleichsweise geringen Einflussmöglichkeiten – über einen nahezu fertigen Haushaltsentwurf diskutiert. In unserer Region bieten etwa die Stadt Halle sowie der Landkreis Mansfeld-Südharz bereits einen Bürgerhaushalt, im quasi benachbarten Goslar wurde erst vor kurzem die Einführung beschlossen. Eine vollständige Auflistung sämtlicher Bürgerhaushalte in Deutschland bietet diese Webseite.
Ein solcher Bürgerhaushalt bietet – gerade in Kombination mit der Transparenz, die durch einen offenen Haushalt geschaffen wird – eine Vielzahl von Vorteilen: So kann die Verwaltung zum Beispiel das Wissen der Bürgerinnen und Bürger über Zustände und Probleme in ihrer eigenen Kommune nutzen, um Schwachstellen oder Sparpotentiale im Haushaltsentwurf zu identifizieren. Darüber hinaus stärken Bürgerhaushalte die Beteiligungskultur und erhöhen nachgewiesenermaßen die Akzeptanz auch von schwierigen Sparentscheidungen in der Bevölkerung. Der Vollständigkeit halber sei allerdings zur „gefühlten“ besseren Legitimation von Bürgerhaushalten an dieser Stelle auch noch kritisch angemerkt, dass in aller Regel nur ein kleiner und kommunalpolitisch besonders interessierter Anteil von Bürgerinnen und Bürgern ein solches Instrument wirklich intensiv nutzt. Von einer (mathematischen) Repräsentativität der Ergebnisse für gesamte Bürgerschaft ist daher nicht auszugehen – was jedoch nicht bedeutet, dass die eingebrachten Vorschläge nicht wertvoll sein können und – zumindest aus meiner Sicht – auch kein Grund dafür sein kann, den besonderes Interessierten die Möglichkeit einer besseren politischen Partizipation zu verweigern.

Es spricht also durchaus viel dafür, einen offenen Haushalt, einen Bürgerhaushalt oder vielleicht sogar eine Kombination aus beidem auch hier in Wernigerode einzuführen. Tatsächlich sind die Rahmenbedingungen derzeit sogar besonders günstig: Viele Städte und Kommunen führen die Möglichkeit von Bürgereingaben leider erst dann ein, wenn die Haushalte schon vollkommen überschuldet sind und es nichts mehr zu verteilen gibt – quasi als Weg zur besseren Legitimation von Haushaltskürzungen. Solche Bürgerhaushalte führen – wie etwa in der Stadt Hattingen geschehen – nur zu unnötigem Frust und Ärger auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger. Wernigerode steht dagegen derzeit finanziell (noch) sehr gut dar – genau der richtige Zeitpunkt also, um den Bürgerinnen und Bürgern mehr Mitsprachemöglichkeiten und bessere Informationen zum Haushalt an die Hand zu geben.