Schierke-Arena wurde zur Gewissensentscheidung für Stadträte

Gepostet am Aktualisiert am

(von André Weber)

„Projektfeststellungsbeschluss Schierke-Arena“: Selten hat ein derart profaner Tagesordnungspunkt bei einer Stadtratssitzung in Wernigerode so polarisiert und die Ratsmitglieder – auch innerhalb der jeweiligen Fraktionen – gespalten. Erwartungsgemäß entwickelte sich die letzte Stadtratssitzung vor der Kommunalwahl zum Showdown.

Schon eine halbe Stunde vor Sitzungsbeginn waren die Zuschauerplätze bis auf den letzten Platz gefüllt. Eine gespannte Unruhe lag in der Luft, überall bildeten sich Grüppchen und es wurde noch mal über das Für und Wider diskutiert. Etwas verspätet schwang Stadtratspräsident Uwe-Friedrich Albrecht die Sitzungsglocke und wenig später ging es los. Nach einer knappen halben Stunde waren die Formalien und weitere Tagesordnungspunkte abgehakt und die „033/2014“ stand zur Beratung. Kurzes Schweigen, dann übergab das Präsidium Baudezernent Burkhard Rudo das Wort, der in die Beschlussvorlage „Schierke-Arena“ einführte. In epischer Breite wurde der lange Weg von der Idee, über die Beratung in Fachgremien und den Ausschüssen bis zur Stadtratssitzung am 20. Mai erläutert und zum Schluss festgestellt, dass die Stadtverwaltung die Beschlussvorlage für abstimmungsreif hält.

Als Erste meldete sich Stadträtin Jutta Meier (CDU) zu Wort, die die Abstimmungsfähigkeit anzweifelte. Als zu unausgegoren wurde das vorliegende Konzept bewertet und daher die Vertagung beantragt. Eine Mehrheit fand sich dafür nicht. Auch wenn ich es für besser gehalten hätte, wenn diese Frage der neue Stadtrat entscheidet, so sah ich persönlich nunmehr auch keinen Erkenntnisgewinn mehr. Die in den Fachausschüssen noch angesprochenen Fragen konnten (oder wollten) der Oberbürgermeister und die Stadtverwaltung nicht mehr beantworten.

Schierke-Arena
Entwurf der Schierke-Arena durch das Planungsbüro GRAFT & Partner ((c) GRAFT).

Anschließend meldete ich mich zu Wort und stellte den gemeinsam mit Thomas Schatz (LINKE) und Frank Diesener (Haus und Grund/FDP) eingebrachten Änderungsantrag vor. Mir war es dabei wichtig voranzustellen, dass mich die zum Teil polemische Auseinandersetzung und unnötige Emotionalisierung der Sach(!)diskussion störte. Der Stadtrat hat sich einmütig zur Ortsentwicklung Schierkes bekannt, aber ich halte es für unanständig, wenn versucht wird, jede Detaildiskussion mit Verweis auf ein Grundsatzbeschluss abzuwürgen und Stadträte, die sich kritisch einbringen, unentwegt als „Nörgler“, „Verhinderer“ und „Blockierer“ diffamiert werden. Ähnlich äußerte sich in der anschließenden Beratung auch Sabine Wetzel (Bündnis 90/Die Grünen). Alle Stadträte wollen, dass Schierke sich entwickelt.

Das Natureisstadion ist dabei ein Baustein für die weitere Ortsentwicklung und daher halte ich es auch für unerträglich, wenn der Vorschlag der Verwaltung als „alternativlos“, wie es Sylke Mattersberger (SPD) in der Beratung postulierte, dargestellt wird. Dem ist eindeutig nicht so: Bereits das Wirtschaftlichkeitsgutachten zeigt die Kosten und Folgekosten für die Sanierung des bestehenden Natureisstadions auf. Genau diese Alternative habe ich gemeinsam mit Thomas Schatz (LINKE) und Frank Diesener (Haus und Grund/FDP) formuliert, berechnet und eingebracht. Wir sprechen uns in der „abgespeckten“ Variante gegen das extravagante Dach, gegen die Kunsteisanlage und für ein statt zwei Funktionsgebäude aus. Zugegeben: Sowohl die reizvolle Überdachung als auch die Kunsteisanlage sind architektonisch ein Hingucker und technisch erstklassig. Aber müssen aus meiner Sicht Kosten und Nutzen sinnvoll gegenüber gestellt werden. Fakt ist, dass das Dach und die Kunstvereisung einen großen Teil der Investitionen und der Folgekosten von mind. 270.000 Euro pro Jahr ausmachen. Demgegenüber steht eine sehr optimistische Annahme von 8.000 Eisläufern (die jährliche Steigerung soll bei 3% liegen) und ein bis heute unfertiges Konzept für die Vermarktung in den Sommermonaten. Sollen ernsthaft 75% der Einnahmen aus der Kurtaxe in Schierke für dieses eine Projekt eingesetzt werden? Was machen wir, wenn die Einnahmen in Wernigerode nicht mehr so sprudeln und die Konjunktur sich abkühlt? Steuern und Abgaben erhöhen? Bei sozialen oder kulturellen Leistungen sparen? Ist dies die Alternative? Durch den Alternativvorschlag könnten über 5 Mio. Euro gespart werden und die Folgekosten ließen sich auf ein gutes Fünftel reduzieren. Thomas Schatz (LINKE) betonte in der anschließenden Aussprache, dass die Sanierung des Natureisstadions auch den Spielraum lässt, um weitere Projekte in Schierke voranzubringen.

Doch auch die mehr als einstündige Debatte half nichts mehr.
Der Änderungsantrag wurde mit 15 Ja-Stimmen, 23 Nein-Stimmen und einer Enthaltung abgelehnt.

Ein weiterer Änderungsantrag zu Einsparungen bei der weiteren Ortsentwicklung und zur „professionellen Vermarktung“ der Schierke-Arena, den die CDU-Fraktion im Schierke-Ausschuss einbrachte und der vom Oberbürgermeister übernommen wurde, sowie ein Antrag der SPD-Fraktion zur Deckelung der Folgekosten wurden angenommen. Wer jedoch einmal konkret in die Anträge guckt, der muss sich schon wundern. Bedarf es denn zum prinzipiellen Bekenntnis zu Sparen und zur „professionellen Vermarktung“ einer Investition ein Beschluss? Ich dachte ja immer, dass dies selbstverständlich wäre. Genausowenig Substanz hat in meinen Augen ein Antrag zur Begrenzung des Verlustausgleiches. Was passiert denn, wenn durch die Wernigeröder Tourismus GmbH ein höherer Verlust eingefahren wird? Gar nichts! Die Stadt wird so oder so das Defizit ausgleichen müssen.

Mehr als ein Lippenbekenntnis ist dies nicht.

Name / Parteizugehörigkeit Änderungsvorlage
„kleine Variante“
Schierke-Arena
„große Variante“
Gaffert, Peter (Oberbürgermeister, parteilos) nein ja
Albrecht, Uwe-Friedrich (Stadtratspräsident, CDU) nein ja
Dr. Ellendt, Bernhard (CDU) nein ja
Goetz, Renate (CDU) abwesend abwesend
Gorr, Angela MdL (CDU) Enthaltung Enthaltung
Hopstock, Christiane (CDU) nein ja
Kammler, Bernd (CDU) nein nein
Mänz, Karl-Heinz (CDU) nein ja
Meier, Jutta (CDU) ja nein
Richter, Roland (CDU) nein ja
Voigtländer, Klaus (CDU) ja nein
Weber, André (CDU) ja nein
Wiecker, Michael (CDU) nein ja
Winkelmann, Klaus Jürgen (CDU) abwesend abwesend
Wurzel, Reinhard (CDU) nein ja
Brandt, Julia (SPD) abwesend abwesend
Dr. Eggemann, Gerd (SPD) nein ja
Festerling, Knut (SPD) nein ja
Hartung, Michael (SPD) nein ja
Harz, Erwin (SPD) nein ja
Mattersberger, Sylke (SPD) nein ja
Müller, Kevin (SPD) nein ja
Schulze, Rainer (SPD) nein ja
Siegel, Siegfried (SPD) nein Enthaltung
Tannert, Brigitte (SPD) nein ja
Dr. Tschäpe, Martina (SPD) nein ja
Prof. Dr. Willingmann, Armin (SPD) nein ja
Wüstenhagen, Doris (SPD) nein ja
Wetzel, Sabine (Grüne) ja nein
Prof. Dr. Burkhardt-Holicki, Gisela (Linke) ja nein
Härtel, Christian (Linke) ja nein
Kabelitz, Dieter (Linke) ja nein
Lande, Inge (Linke) ja nein
Pöhlert, Wilfried (Linke) nein ja
Schatz, Thomas (Linke) ja nein
Schönfelder, Thomas (Linke) nein ja
Wittur, Ulla (Linke) ja nein
Diesner, Frank (Haus und Grund) ja nein
Porsche, Helmut (Haus und Grund) ja nein
Wesirow, Stefan (FDP) ja nein
Rettmer, Bernd (parteilos) ja nein
Schäfer, Michael (NPD) ja nein

Mit 21 Ja-Stimmen, 16 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen wurde die Gesamtvorlage in der veränderten Form angenommen. Sicher, ich hätte mir ein anderes Ergebnis gewünscht, aber nach der Abstimmung fiel mir nichtsdestotrotz ein Stein vom Herzen, dass nach an einer an für sich recht sachlichen Aussprache nun endlich ein Beschluss gefallen ist. So ist das in der Demokratie: Die Mehrheit entscheidet und nicht immer kann man sich durchsetzen. Ich habe jedoch auch hohen Respekt vor denjenigen Stadträten, die sich für die Schierke-Arena entschieden haben. Ich weiß, dass sich viele Räte unglaublich schwer mit der Vorlage getan und am Ende in einem Abwägungsprozess nach ihrem Gewissen entschieden haben. Und dies ist auch gut so.

Am 25. Mai wird ein neuer Stadtrat gewählt. Dabei geht es aber nur in zweiter Linie um Parteien, sondern vordergründig um Personen. Mit dieser, aber auch mit den hunderten weiteren Beschlussvorlagen, übernehmen die Stadträte im Ehrenamt ein hohes Maß an Verantwortung. Bei der Wahlentscheidung liegt die Verantwortung bei Ihnen als Wähler. Wägen Sie daher verantwortungsbewusst ab und schenken Sie demjenigen Kandidaten Ihre 3 Stimmen, den Sie vertrauen!

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