Kommunalwahl
Canvassing-Auftakt der CDU im Europa- und Kommunalwahlkampf
(von Christian Reinboth)
Am Wochenende fanden in Wernigerode die ersten Straßenwahlkampf-Veranstaltungen der CDU – das sogenannte Canvassing – zur in zwei Wochen anstehenden Europa- und Kommunalwahl statt. Vier Stunden lang standen die CDU-Stadtratskandidatinnen und -kandidaten sowie Sven Schulze als Europa-Spitzenkandidat der CDU Sachsen-Anhalt zunächst in Hasserode und später auch auf dem Nikolaiplatz bei zahlreichen Fragen von Passantinnen und Passanten Rede und Antwort. Dabei wurde unter anderem der neue Flyer der CDU Wernigerode zur Kommunalwahl mit der Kurzfassung des CDU-Kommunalwahlprogramms und immerhin vier Kandidaten der Jungen Union verteilt.

Allen neuen Möglichkeiten für Online-Wahlwerbung zum Trotz gehört das klassische Canvassing – zumindest in meinen Augen – nach wie vor zu jedem Wahlkampf dazu. Natürlich ist Canvassing nicht immer angenehm – bis hin zu gelegentlichen verbalen Übergriffen von Anhängerinnen und Anhängern der ganz rechten oder ganz linken Parteien – alles in allem überwiegen die positiven Erfahrungen die negativen jedoch bei weitem. Gerade angesichts der traditionell leider eher niedrigen Wahlbeteiligung bei Stadtrats-, Kreistags- und auch Europawahlen sowie vor dem Hintergrund der weggefallenen Drei-Prozent-Hürde für die Europawahl ist es in diesem Jahr besonders wichtig, potentielle Wählerinnen und Wähler davon zu überzeugen, dass sich der Gang zur Wahlurne nicht nur für die Bundestagswahl lohnt. Auch wenn zur Stadtratswahl in diesem Jahr erfreulicherweise keine radikalen Parteien antreten, haben NPD, MLPD und andere Randparteien zur Kreistags- und Europawahl noch Chancen auf Mandate.

Insofern freue ich mich am Canvassing-Stand auch immer über alle Passanten, die uns erzählen, dass sie zur Wahl gehen und ihre Stimme für eine der anderen demokratischen Parteien abgeben werden. Natürlich freut man sich als Wahlkämpfer über eigene Unterstützer oder Diskussionen mit Unentschlossenen sicher mehr als über bekennende Anhänger der Konkurrenz – aber solange es noch die demokratische Konkurrenz ist, hilft jede Stimme immerhin der Wahlbeteiligung und damit auch dem Heraushalten undemokratischer Vertreter aus den Parlamenten.
Diejenigen Passantinnen und Passanten, die am Infostand ganz offen angeben, sich weder an der Europa- noch an der Kommunalwahl beteiligen zu wollen, versuchen wir natürlich davon zu überzeugen, dass die Beteiligung an beiden Wahlen gerade in diesem Jahr für Wernigerode und Sachsen-Anhalt von besonderer Bedeutung sind. Warum? Weil die Wahlbeteiligung sowie das CDU-Ergebnis zur Europawahl in diesem Jahr darüber entscheiden werden, ob Sachsen-Anhalt zukünftig überhaupt noch mit wenigstens einem Abgeordneten im Europaparlament vertreten sein wird. Bis zur letzten Europawahl im Jahr 2009 wurde unser Bundesland in Straßburg bekanntlich noch von zwei Abgeordneten aus CDU und SPD vertreten, seit 2009 lediglich noch durch Dr. Horst Schnellhardt, der in diesem Jahr durch Sven Schulze als neuem CDU-Spitzenkandidaten für Europa abgelöst wird. Sollte Sven der Einzug ins Europaparlament doch nicht gelingen, steht Sachsen-Anhalt zukünftig ohne einen eigenen Interessenvertreter in Straßburg dar – ein Ergebnis, über das man sich ganz unabhängig von der eigenen politischen Affinität als Sachsen-Anhalter kaum freuen könnte.
Und auch im Wernigeröder Stadtrat werden in den kommenden Jahren wichtige Weichen für die Zukunft gestellt: Wird die überparteilich getroffene Einigung zur Rückführung der Gewerbesteuer auf 400 Punkte auch vor dem Hintergrund neuer Investitionen in Schierke und unserer Kernstadt umgesetzt werden? Wie könnte ein brauchbares Nutzungskonzept für das gesamte Ochsenteichgelände aussehen, das sowohl den Wünschen der Schmalspurbahn als auch der Anwohnerinnen und Anwohnern gerecht wird? Werden die Pläne für ein Eisstadion und eine Seilbahn in Schierke in ihrer derzeit aktuellen Form realisiert oder wird es doch noch eine Umkehr hin zu weniger teuren Varianten wie beispielsweise einem reinen Natureisstadion geben? Wird es vor dem Hintergrund der befürchteten Schulschließungen auch in unserem Landkreis möglich sein, alle bestehenden Schulen in Wernigerode und seinen Ortsteilen zu erhalten? Viele wichtige Fragen deretwegen sich der Gang zur Wahlurne am 25. Mai zweifelsfrei lohnt.
Wer übrigens – wie ich – den Begriff „Canvassing“ für neumodisches „Denglisch“ hält, kann sich in dieser Sammlung historischer Wahlkampfmaterialien aus dem Jahr 1976 (in der Helmut Kohl erstmalig gegen Helmut Schmidt antrat – und damals noch verlor) der unionsnahen Konrad Adenauer-Stiftung eines Besseren belehren lassen: Nicht nur wurde der Wahlkampf mit Infoständen auf der Straße bereits in den 70er Jahren als Canvassing bezeichnet, er fand auch schon mit nahezu unveränderten Tischchen, Schirmen und Giveaways statt. Ein Wahlkampf mit Tradition also, der in den nächsten zwei Wochen bis zur Wahl noch an vielen Straßenecken in Wernigerode zu erleben sein wird.

Wer in Wernigerode kandidiert: Frauenanteile und Altersspannen
(von Christian Reinboth)
Nachdem der Wahlausschuss der Stadt Wernigerode nun bereits vor einigen Wochen über die Zulassung der Kandidatinnen und Kandidaten zur im Mai anstehenden Stadtratswahl entschieden hat, möchte ich heute einmal einen Blick auf die Statistik hinter den Listen der sieben zur Wahl stehenden Parteien werfen. Wie beim Grünen-Blogger Till Westermayer, der sich hier, hier und hier recht intensiv mit den Freiburger Kommunalwahlkandidaten auseinandergesetzt hat, bietet dieser Blick sicher genügend Stoff für mehrere Blogartikel, weshalb ich mich heute zunächst auf eine rein explorative Betrachtung beschränken möchte.
Insgesamt hat der Wahlausschuss genau 87 Kandidatinnen und Kandidaten auf die 41 Mandate unseres Stadtrates zugelassen, von denen 27 für die CDU, 20 für die SPD, 18 für die Linke, 7 für Bündnis90/Grüne, 9 für Haus & Grund sowie jeweils 3 für FDP und die Piratenpartei antreten, die als Newcomer diesmal erstmalig auf dem Wahlzettel stehen. Die anderen sechs Parteien sind derzeit bereits mit 39 von 41 Sitzen im Stadtrat vertreten (die momentane Sitzverteilung ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen), die aktuell ebenfalls mit einem Mandat vertretene NPD hat für die anstehende Wahl erfreulicherweise keine Kandidaten gemeldet und scheidet somit aus dem nächsten Stadtrat aus. Die Tabelle gibt neben der Anzahl der Kandidatinnen und Kandidaten pro Partei sowie der aktuellen Sitzverteilung Auskunft über den Anteil an weiblichen Kandidatinnen auf den Parteilisten, das Durchschnittsalter der Kandidatinnen und Kandidaten, die Altersspanne der Listen sowie die Akademikerquote, wobei letztere aufgrund des Interpretationsspielraums bei den angegebenen Berufsbezeichnungen mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist.
Partei | Kandidaten | Frauenanteil | Durchschnittsalter | Altersspanne | Akademikeranteil | Sitze |
CDU | 27 | 25,9% | 47,9 Jahre | 23 – 73 Jahre | 37,0 % | 14 |
SPD | 20 | 20,0% | 54,0 Jahre | 25 – 73 Jahre | 60,0 % | 13 |
Linke | 18 | 38,9% | 53,2 Jahre | 26 – 76 Jahre | 50,0% | 8 |
Grüne | 7 | 42,9% | 48,7 Jahre | 36 – 69 Jahre | 57,1% | 1 |
FDP | 3 | 0,0% | 35,0 Jahre | 25 – 47 Jahre | 0,0% | 1 |
HuG | 9 | 22,2% | 56,8 Jahre | 39 – 80 Jahre | 55,6% | 2 |
Piraten | 3 | 0,0% | 35,7 Jahre | 23 – 55 Jahre | 0,0% | 0 |
Gesamt | 87 | 26,4% | 50,5 Jahre | 23 – 80 Jahre | 46,0% | 39 |
Bei der Betrachtung der Zahlen fällt zunächst einmal auf, dass der Frauenanteil über alle Parteilisten hinweg deutlich unter den 50% liegt, die im politischen Raum vielfach angestrebt werden. Insgesamt sind 26,4% aller Listenkandidaten weiblich, wobei die CDU mit einem Frauenanteil von 25,9% nur noch von den Linken mit 38,9% und den Grünen mit 42,9% überboten wird, während sich sowohl für die FDP als auch für die Piratenpartei gar keine Kandidatinnen zur Wahl stellen. Dafür dass der CDU häufig – fälschlicherweise – nachgesagt wird, sie werde von Männern gehobenen Alters dominiert, heben sich sowohl unser Anteil an Kandidatinnen als auch das Durchschnittsalter unserer Wahlliste klar positiv von einigen unserer politischen Wettbewerber ab: Mit einem Altersdurchschnitt von 47,9 Jahren stellt die CDU dank zahlreicher JU-Kandidaten sogar die drittjüngste Liste, die nur noch von FDP und Piraten – mit allerdings jeweils nur drei Kandidaten – unterboten wird. Die Altersmediane liegen übrigens so dicht an den hier aufgeführten arithmetischen Mitteln, dass ich auf eine separate Ausweisung beider Mittelwerte verzichtet habe. Die Altersspannen lassen erahnen, dass es in diesem Jahr wirklich parteiübergreifend gelungen ist, Kandidatinnen und Kandidaten aller Altersgruppen für den Wahlkampf zu motivieren, wobei sich natürlich die spannende Frage stellt, inwiefern wohl die Wählerinnen und Wähler diese breite Basis am Wahltag durch ihre Stimmverteilung wieder verkleinern werden.

In der Tabelle findet sich darüber hinaus die Akademikerquote, d.h. der Anteil an Kandidatinnen und Kandidaten, die eine akademische Ausbildung durchlaufen haben. Die Angabe steht beispielhaft für eine ganze Reihe von möglichen Verteilungen – z.B. die Anteile von selbständig/abhängig Beschäftigten, die Anteile von Berufstätigen/Rentnern oder eine Aufteilung nach Berufsgruppen – die aus den vorhandenen Daten (bei den bereits erwähnten Ungenauigkeiten) noch extrahiert werden könnten. Etwaige Wünsche und Anregungen für weitere Auswertungen werden – analog zu diesem Versuch einer Crowdsourcing-Statistik aus 2011 – in den Kommentaren natürlich gerne entgegengenommen. Die der gelegentlichen Arbeiterrhetorik zum Trotz starke bürgerliche Prägung sowohl der hiesigen SPD als auch der hiesigen Linken zeigt sich in der hier aufgeführten Quote übrigens bereits recht deutlich.
In diesem Sinne ist die Vorschlagsrunde eröffnet: Welche Kandidatenstatistik(en) würdet ihr hier gerne lesen?
